Die siebenjährige Nell kann es nicht ausstehen, wenn das Etikett ihres neuen Pullovers an ihrer Haut kratzt. Ich halte es nicht aus, wenn ein Oberteil an mir klebt oder mein Hosenbund nicht weit genug ist.

Jahrelang habe ich mich gefragt, warum ich so oft Dinge gekauft hatte, die mir eigentlich nicht passten. „Die Farbe steht Ihnen doch viel besser“, meinte die Verkäuferin. „Die fühlt sich aber besser an“, dachte ich. Ich brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich dahinterkam, dass sich etwas gut anfühlen muss, durchaus aber auch gut aussehen darf.

Wenn ich mich zwischen den beiden entscheiden muss, bleibe ich nach wie vor bei gut anfühlen.

Die Haut von hochsensiblen Menschen ist eben auch sehr empfindsam. Sie braucht Zuwendung. Nicht alle Hautcremes fühlen sich gut an, nur weil sie Bioprodukte sind oder weiche Haut versprechen. Nur auftragen hilft um herauszufinden, ob die sensible Haut sie mag.

Materialien müssen getestet werden

Raus mit allen Etiketten, weg mit unangenehmen Kunststoffmaterialien. Es gibt jedoch auch manchmal Kunstmaterialien, die sich gut anfühlen, deshalb hilft wieder nur der direkte Testlauf.

Die sensible Haut will auch in anderen Bereichen wahrgenommen werden. Sie weiß ganz genau, ob sich eine Berührung gut anfühlt oder nicht. Das, was gestern angenehm war, kann heute gar nicht passen. Deine Haut kann heute nach Berührung schreien und morgen braucht sie es, gar nicht angefasst zu werden. Ein bisschen so wie das die Katzen machen. Was die sensible Haut immer möchte, ist mit ihren Bedürfnissen respektiert zu werden.

Deshalb ist es auch nicht ratsam, zu Masseuren zu gehen, die nicht wirklich bei der Sache sind. Ich meine diejenigen, die davon erzählen, dass sie gestern einen Rohrbruch hatten. Dass es ihrer Mutter schlecht geht und sie Beziehungsprobleme haben. Es geht nur mit denen, die mit ihrem Kopf bei der Sache sind, und der Haut und der innewohnenden Person mit Aufmerksamkeit begegnen.

Eine wichtige Aufgabe der Haut ist es, den Wärmehaushalt zu regulieren. Manche hochsensible Menschen halten Hitze schlecht aus, andere wiederum reagieren sehr stark auf Hitze. Erst kürzlich sah ich Eltern mit einem brüllenden Baby, das fürsorglich dick eingepackt in seinem Wagen lag. Es war einer der ersten heißen Tage in diesem Jahr. Da hilft wieder nichts Anderes als Aufmerksamkeit auf den Moment. Am besten immer Schichten anziehen und Extrakleidung mithaben. Der Schal ist schnell in die Tasche geworfen, macht aber sehr glücklich, wenn es auf einmal windig wird.

Wie bei so vielen Themen ist es nicht ganz so einfach, sehr empfindsam zu sein. Es gibt aber immer die Schokoladenseite. Ich kann am Spätabend in der milden Sonne sitzen, sie auf der Haut spüren, und mich vom Glück durchströmen lassen. Ich empfinde tiefste Dankbarkeit, wenn ein mir anvertrautes Kind seinen Kopf an mich schmiegt. Die Welt um mich verschwindet, wenn ein Mann die Sinnlichkeit meiner Haut entdeckt und würdigt. Und noch was: Mein Freund Anton, der Wasserbüffel, hat auch eine sehr sensible Haut und gibt sich hingebungsvoll meinen Streicheleinheiten hin.

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