Kürzlich saß ich in einem Café am Hilmteich in Graz. Am Nebentisch eine Familie mit zwei Buben und ein Arbeitskollege des Vaters. Der dreijährige Sohn bekleckerte sich mit Ketchup. „Er ist halt eine Drecksau“ lachte der Vater. Es wirkte nicht bösartig, mehr einfach so dahin gesagt. „Ich bin keine Drecksau“ wiederholte der Kleine daraufhin mehrmals, nicht beleidigt, sondern eher richtigstellend. „Ich bin keine Drecksau“. Seltsam klangen die Worte aus seinem Mund.

Im Gespräch mit einer Freundin fiel mir auf, wie oft sie die Sätze „Ich bin nicht belastbar“ und „Ich halte das nicht aus“ verwendete. Jedes Mal, wenn ich „ich halte das nicht aus“ hörte, bemerkte ich, wie mein Körper reagierte. Mit Beklemmung, flacher Atmung und dem Gefühl, weglaufen zu wollen. Er kennt den Satz.

Was bedeutet „Ich halte das nicht aus?“ Bedeutet das, das ich psychisch zusammenbreche, krank werde, sterbe, wenn besagte Situation weiterhin besteht? Was bedeutet „ich bin nicht belastbar?“ für mich? Was heißt „das stresst mich?“ In erster Linie bedeutet es ein Gefühl, das ich zuerst einmal wahrnehmen muss, um es benennen zu können.

Nachzuspüren, was ich tatsächlich empfinde, braucht einen Moment Zeit und Aufmerksamkeit. Der Stress, die Arbeit zu verlieren, bedeutet möglicherweise ein Gefühl der Angst. Die wiederum empfindet jeder auf seine ganz persönliche Art – ein flaues Gefühl in der Magengegend, die Empfindung, nicht frei durchatmen zu können oder ein Spannungsgefühl, das den ganzen Körper erfasst. „Mein Partner stresst mich“ beschreibt möglicherweise den Ärger, den ich in vielen Situationen mit ihm empfinde. Hitze und Druck im Bauchraum, wenig Empfindung in den Beinen.

Hinspüren, das Gefühl und Empfindungen benennen nimmt sehr oft die Dramatik nicht nur aus den Worten, sondern auch aus dem Erleben. Es gibt mehr Handlungsspielraum und Raum für Kommunikation. Mit mir selbst und meinem Gegenüber.

Spüren und benennen was ich spüre, gibt auch der Erfahrung die Möglichkeit der Veränderung. Das flaue Gefühl in der Magengegend wird wahrgenommen, wird somit real und beginnt möglicherweise, sich auszudehnen, zu intensivieren oder sich aufzulösen. Es kommt Veränderung hinein in das Erlebte, ganz einfach, weil alles Lebendige sich ständig verändert. Während „Ich halte das nicht aus, ich bin nicht belastbar, ich bin gestresst“ stark und unveränderlich dazustehen scheinen.

Gerade besonders sensible Menschen reagieren sehr stark auf Worte. Auch auf die eigenen.

Wir entrümpeln Schränke, Keller, bringen die Bauhöfe an die Grenze der Belastbarkeit mit unserem angehäuften Zeug. Wir vergessen, unsere Sprache auszumisten.

Heute lade ich dich ein, deine Wörter zu entrümpeln.

Schmeiß die raus, die nicht zu dir passen, die die schon längst verwelkt sind.

Hör ganz bewusst zu, was du sagst und wie deine eigenen Worte auf dich wirken. Sind sie hilfreich? Dienen sie dem Zweck? Oder bewirken sie das Gegenteil von dem, was du beabsichtigst?

Geh auf Entdeckungsreise und finde heraus, wie sie dein Erleben bestimmen, verändern oder es einzementieren, ohne dass du es wahrnimmst.

Achte darauf, was die Wahl deiner Worte mit anderen macht. Lässt sie den Menschen vor dir kleiner werden, aufblühen oder verdursten? Machen Sie Mut, diene Worte, schaffen sie Klarheit oder verschleiern, bedecken, benebeln sie? Öffnen sie Räume oder nehmen Sie die Luft zu atmen, obwohl die doch richtig erscheinen?

Such die Wörter, die Abneigung in dir hervorrufen und geh auf die Suche nach denen, die dir besonders gefallen. Achte auf Worte, die Erinnerungen bringen, ganz wie Musikstücke.

Nimm neue Wörter auf, die es bis jetzt nicht in deinen Sprachgebrauch geschafft haben. Und wenn du Glück hast, hörst du fremde Sprachen in der U-Bahn oder beim Spazierengehen. Lass sie wirken, deine Wahrnehmung verändern, auch wenn du den Sinn der Worte nicht verstehst.

Sprich mit deinen Kindern in einer Sprache, die ihr beide nicht versteht, die euch zum Lachen bringt.Geh auf die Suche nach besonders liebevollen Worten. Nach denen, die noch besser ausdrücken, wie sehr du liebst, nach denen, die noch genauer zu der Person passen, die du liebst.

Öffne dein Herz für Worte, die dich trösten in schlimmen Momenten, die dich umarmen, wenn es wehtut, die dich durchtragen durch Tiefen, die mit Worten nicht zu beschreiben sind.

Flüstere wieder mal oder schrei sie, deine Worte, wähle ihre Lautstärke.

Wag es, heute Worte in die Welt zu schicken, die schon lange darauf gewartet haben.

Spiel mit Worten, nimm sie ernst und nimm ihnen bewusst die Ernsthaftigkeit wieder weg, wenn es an der Zeit ist.

Lass zu, dass die Sprache Schritt für Schritt deine wird, ausdrückt, wer du längst schon nicht mehr bist, wer du sein möchtest und wohin du gehst.

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